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Als Kind begann spätestens ab dem 1. Dezember mit dem Aufhängen des Adventskalenders das Warten auf das Christkind.
Es waren nicht nur die Geschenke, die Frage, was man wohl von dem bekommt, was man sich gewünscht hat, sondern vor allem der Zauber des Heiligen Abends, den man so herbei sehnte. Der Gedanke an Weihnachten war verknüpft mit Assoziationen, die aus festen Ritualen und geliebten Accessoires bestanden. Sei es die Christmette, das Hören der Weihnachtsgeschichte, Weihnachtslieder, der Duft nach Tannenbaum und Kerzen, das Zusammensein und andächtige Erwarten des Auflösens des Spannungsbogens oder andere Vorstellungen, dieser Tag im Dezember hatte einen starken Glanz.

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1. Ungeduld

Jede Ungeduld musste bei Seite geschoben werden, denn nichts an den traditionellen Abläufen konnte verändert, beschleunigt werden. Der Advent folgt immer dem gleichen Gesetz.
Im Prinzip erwies sich das Warten als ganz gut zu bestehende Anforderung, denn was ist schöner, als Erwartungen und Wünsche danach erfüllt zu sehen? Und ist es nicht leichter auf etwas zu warten, von dem man weiß, wann man es bekommt, oder vielmehr, dass man es bekommt? Aber da sind dann auch die Dinge, von denen man nicht wusste, ob man sie bekommt. So viel man auch im Voraus vom Heiligen Abend wußte, bestimmte Dinge konnte man nicht berechnen. Und das machte einen ganz kribbelig. Das Warten auf diesen Tag, an dem die Geburt Christi gefeiert wird, wird auf diese Weise leicht zur Parabel für das Warten im Leben auf Ereignisse, die für uns im Alltag einen Neubeginn darstellen. Jeder hat eine Lebensplanung und viele Dinge sind berechenbar und vorhersehbar. Aber nicht alles lässt sich organisieren und planen, selbst mit den heutigen Möglichkeiten.

2. Schicksal

Der eine ist auf der Suche nach einem Job, der andere wünscht sich den Partner fürs Leben, die einen suchen ein Haus, die anderen wünschen sich gute Freunde, die einen wollen eine Familie gründen, die anderen eine neue Existenz aufbauen. Jeder wünscht sich etwas, wofür die Voraussetzungen stimmen. Aber gerade in der heutigen Zeit kann man nicht bestimmen, ob und wann sich Pläne dieser Art umsetzen lassen.
Oftmals hat man schon alles versucht, um seiner Wunscherfüllung auf die Sprünge zu helfen. Aber es ist noch kein Ende des Wartens und Hoffens in Sicht. Das ist das schlimmere Warten, wenn man nicht weiß, ob es jemals aufhört. Ob es irgendwann doch erfüllt wird und wann. Warten auf Godot. Die Zeit einfach annehmen und konstruktiv füllen ohne Wissen des "Wann und wie" ...
Aber genau das ist die Gewissheit, dass das, was gut ist für uns, dass wir das bekommen. Irgendeiner weiß, was wir wirklich brauchen, und wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Man muss dem göttlichen Plan vertrauen. Ohnmacht macht Warten nicht unbedingt leichter. Aber Vertrauen bringt Stärke und gibt plötzlich allem einen Sinn. Genau wie Maria und Josef der Weihnachtsgeschichte nach von Haus zu Haus zogen und vergeblich um eine Unterkunft bitten. Da war offenbar der Plan, dass das Jesus-Kind im Stall geboren werden sollte. Die Ausdauer und das Vertrauen der Eltern hat sich gelohnt. Und erst im Nachhinein erschließt sich der Sinn der Geburt im Stall. Warten lohnt sich!
Gerade für die heutige Gesellschaft, die glaubt, eigentlich alles möglich machen zu können, ist die Erfahrung, sich einem Schicksal überlassen zu müssen, da es etwas gibt außerhalb von dem, "was der Mensch zu seiner eigenen Lebensgeschichte beiträgt" (Winston S. Churchill), sehr lehrreich und wichtig.
Advent, Advent, ...