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Würde es nach dem alten Kinderspiel "Teekesselchen" gehen, würde ich versuchen, zu beschreiben, welche zwei Bedeutungen dieser Begriff "Computervirus" hat. Ich würde sagen: Mein erstes Teekesselchen ist der Schrecken jedes Unternehmens.
Mein zweites Teekesselchen ist in der Gesellschaft noch nicht so bedeutend, obschon auch auf anderer Ebene von zerstörerischem Potential.
Mein erstes Teekesselchen hat eine Art Erkennungszeichen, so dass die Gefahr gebannt werden kann, kommt man ihr rechtzeitig auf die Schliche.
Mein zweites Teekesselchen kommt in der Regel ohne Warnung, schleicht sich langsam ein.
Mein erstes Teekesselchen zerstört ein System oder Teile eines Systems, so dass bestimmte wichtige Prozesse und Arbeitsabläufe nicht mehr funktionieren.
Mein zweites Teekesselchen kann ein gut funktionierendes System zerstören, wenn es nicht rechtzeitig erkannt und vor allem bekämpft wird: die Beziehung zwischen Mann und Frau.

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1. Infektionsgefahr

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Ich möchte mich dem Virus widmen, der unsere Männer infiziert, sie süchtig macht - Computer-süchtig. Diese Sucht scheint sich in unserer Gesellschaft rasend schnell auszubreiten, diese Sucht, am Computer sitzen zu müssen.


Es fängt schleichend an: Der Mann sagt, er müsse dringend noch an diesem Abend für seinen Job recherchieren und die Frau hat Verständnis und wahrscheinlich stimmt es ja auch - anfangs. Wenn diese Recherche dann länger dauert, hat irgendetwas im System mal wieder nicht funktioniert, sagt er, und die Frau ärgert sich mit ihm und hat Verständnis.


Die Recherchen werden häufiger, die Sitzungen werden länger, es geht nicht mehr nur um den Job, gibt er zu, sondern er ist auf andere interessante Dinge gestossen, die wichtig für ihn sind. Die Frau versteht nicht mehr, dass man nach einem normalen Arbeitstag fast täglich noch ?recherchieren? muss, so dass erst zwischen zwei und vier Uhr morgens der Arbeitstag vorbei ist.

2. Morgen ist auch noch ein Tag

"Morgen ist auch noch ein Tag" - dieses Argument prallt an dem Arbeitstier ab, denn er hatte doch gerade in der Stille der Nacht seine kreativen Ergüsse oder sich eben an einem Problem fest gebissen, sei es technischer (Computer) oder wissenschaftlicher (Arbeit) Natur. Jetzt hat ihn die Sucht gepackt: Es gibt nur noch Schlaf, Essen und Computer.


Meist direkt nach dem Abendessen geht es wieder ins Büro / ins Computerzimmer. Die Frau ist abgeschrieben. Sie sitzt allein vor dem Fernseher oder liest ein Buch. Sie geht allein zu Bett und starrt die Decke an. Oft kann sie nicht schlafen, weil das Bett so leer ist. Oder sie schläft zwar ein, aber wird automatisch nach Mitternacht wach, weil sie immer noch alleine ist. Sie kennt nun schon die Bedeutung der Worte: "Ich gehe nur noch einmal kurz ins Arbeitszimmer" oder "Ich komme auch gleich ins Bett, muss nur noch einmal ins Internet."


"Mal kurz" sind zwischen zwei und fünf Stunden ...


Man(n) könnte sagen: "Na und? Was soll man nach zehn Jahren Ehe erwarten." Dann aber ist schon viel zerstört.


Aber man (Frau) muss den Mann verstehen. Was auch immer ihn antreibt, dieser Sucht zu verfallen, sein Jagd- und Forschungs-Trieb, sein Versorger-Gebaren, etc., für den Mann (nach seinen ?aktiven?, verliebten Jahren in einer Beziehung, der Zeit des Umwerbens und Eroberns) ist eine Verbindung zwischen Mann und Frau dann intakt, wenn alles normal verläuft: Er hat eine tolle Frau (und weiß es auch, dass er sie hat), ein schönes Zuhause, wo er sich wohl fühlt. Er wird geliebt und geachtet, und er hat eine Arbeit, mit der er die Lebenskosten tragen kann, die ihm vielleicht sogar gefällt. (Die Prioritäten bei dieser Aufzählung setzt jeder Mann sicherlich anders, und sollte ein Mann Zweifel an der Klasse seiner Frau haben, so ist das sicherlich noch einmal ein anderes Thema ...) Kurz jedenfalls: Der Alltag der Männer ist geregelt und er ist glücklich. Ja! Er ist glücklich! - Die Frauen dieser Männer dürfen keinesfalls vor ihn treten und sagen: "Ich glaube, du liebst mich gar nicht mehr!"


Nein: Im Gegenteil. Die Liebe zu seiner Frau ist für diese Art Männer essentiell. Und selbstverständlich.

3. Was also tun?

Was also tun, um diese männliche Ordnung zu erschüttern? Einen Aufstand zu machen, man wolle nicht, dass er mehr mit dem Computer verheiratet sei, als mit einem selbst, es sei zu viel, dass der Laptop sogar im Urlaub oder am Ausflugswochenende zum ständigen Begleiter würde - das wird als Zwergen-Aufstand, oder als nicht zu tolerierender Angriff abgetan, da man seinem Beruf, seinem Engagement Unverständnis entgegen bringe, ihn und die Arbeit nicht ernst nehme, etc. Merke: Kein Süchtiger gibt seine Sucht zu.


Ihn mit weiblichen Reizen zu locken, funktioniert auch nur selten, und ansonsten halbherzig mit einem leidenschaftlichen aber nur etwas längeren Gute-Nacht-Kuss und der völlig überzeugten Feststellung seinerseits, ihn in seinem Wissen bestätigend, was für eine tolle Frau er habe. Nun könnte die Frau natürlich nach dem Motto "Wer sich rar macht, macht sich beliebt" selber alle möglichen Abendtermine überlegen und etwas unternehmen. Das ist aber eine sehr zweischneidige Sache. Denn entweder er sieht das erst recht als Freischein (dann kann ich ja am Computer sitzen) und/oder findet es toll, dass sie etwas für sich tut, denn er möchte ja, dass sie glücklich ist. Nur eventuell empfindet er es als eine Störung seines intakten Systems. Und ausserdem: Wenn jetzt jeder seiner Wege geht, wo ist dann noch eine Beziehung?


Tja, also: Wo ist überhaupt die Beziehung geblieben? Es ist sicherlich schwierig, erfordert oftmals viel Vertrauen, darauf zu bauen, dass auch der Mann immer noch eine Beziehung zu dieser seiner Frau will, dass ihm die Frau wirklich wichtig ist. Erst recht, wenn auch die Kleinigkeiten, die so eine Beziehung nähren und aufleben lassen, weg fallen: Wie ab und zu ein von Herzen kommender Blumen-Gruss, eine liebevolle SMS, das Gefühl, dass der andere erkennt, und sich dafür interessiert, wie es einem geht, situativ aber auch allgemein. Weiterhin fehlt oft das gemeinsame Gespräch oder geht zumindest nicht über die statistischen Wortwechsel (waren es zehn Minuten pro Tag?) hinaus. Es wird nicht mehr gemeinsam gelacht, was ja laut Paar-Psychologen jedes Paar mindestens einmal pro Tag tun sollte, und man wird im Alltag / Haushalt allein gelassen. Dann erst schrillen alle Alarmglocken, denn für den Mangel an gemeinsam verbrachter Zeit und gemeinsamen Unternehmungen wurde ja Verständnis eingefordert, was als Grundlage einer funktionierenden Beziehung ausgeschrieben wurde.

4. Diplomatie

Also muss mit viel Diplomatie an die Sache herangegangen werden: Man akzeptiert die Wichtigkeit der Forschungen am Computer und zeigt Verständnis, dass es viel Zeit erfordert, kann aber versuchen, klar zu machen, dass nicht jeder Tag fast zwanzig Stunden Arbeit bedeuten muss. Man muss verdeutlichen, dass man nicht glücklich ist. Der Mann will eine glückliche Frau und eine funktionierende Beziehung. Die Frau ist aber unglücklich und die Beziehung funktioniert schon lange nicht mehr.


Der Vergleich, dass ein Mensch, der keine Pflanze in seinem Lebensraum halten kann, auch beziehungsunfähig ist, scheint passend: Es reicht nicht, dass der Mann rauszieht in die Welt und sich eine Pflanze, die all seinen Anforderungen und Vorstellungen entspricht, besorgt, und sich einen Platz sucht, um sein Heim zu verschönern. Sondern er muss auch schauen, dass der Platz für die Pflanze stimmt, und er muss sich um sie kümmern: Sie braucht ausreichend Licht und Wasser und ab und zu mal Dünger. Sie berührt erst sein Herz, wenn er wahrnimmt, wenn sie blüht, und sich daran freut, genauso, wie wenn er bemerkt, wenn sie welke Blätter bekommt. Eine Pflanze braucht Pflege und Aufmerksamkeit (und vielleicht auch mal Ansprache :-)) genau wie die Beziehung.


Das heißt, man schlägt dem Partner vor, ein bis zwei Mal pro Woche einen gemeinsamen Abend zu verleben, Zeit miteinander zu verbringen. Meistens beseelt es beide sehr und korrigiert wieder ganz von alleine die Stellenwerte im System des Mannes. Das zerrüttete oder verkümmerte Beziehungs-Pflänzchen blüht wieder auf und vielleicht wird er ja süchtig nach mehr??